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FAZ: Die Deutsche Post unter Verdacht

Behindert der Konzern den Wettbewerb um die Briefe? Eine Prüfung der Netzagentur könnte den Markt für Geschäftspost durcheinanderwirbeln.

Von Helmut Bünder, Bonn

Auf den ersten Blick ist es Feinschmeckerstoff aus den Untiefen des Postrechts. Doch der Beschluss mit dem Aktenzeichen BK5-21/016 könnte hierzulande den Wettbewerb um die Briefe kräftig befeuern. Die Bundesnetzagentur greift darin Vorwürfe auf, dass die Deutsche Post Konkurrenten auf dem lukrativen Geschäftskundenmarkt systematisch das Wasser abgrabe. Der gelbe Riese soll seine Preisgestaltung für sogenannte Preis-Kosten- Scheren missbrauchen, die auskömmliche Margen anderer Anbieter verhindern.

Bewiesen ist noch nichts, aber es gibt erste Indizien. Die Netzagentur hat deshalb eine vertiefende Prüfung eingeleitet. In einem mehrstufigen Prozess müssten jetzt die Daten von Wettbewerbern der Post zusammengetragen werden, sagte ein Sprecher der F.A.Z. Erstes Material war 2020 in einer Markterhebung unter 44 alternativen Briefdiensten gesammelt worden. Auslöser ist ein Verfahren, in dem die Netzagentur das Porto für den „E-Postbrief“ geprüft und Ende November unter Vorbehalt genehmigt hatte. Es gebe „Anhaltspunkte, dass die Deutsche Post AG durch ihr Verhalten am Markt eine den Wettbewerb auf dem Briefmarkt behindernde Preis-Kosten-Schere (PKS) begründen könnte“, heißt es im Befund. Die Auseinandersetzung genießt in der Branche höchste Aufmerksamkeit, weil sie über die E-Post hinaus den milliardenschweren Markt für Geschäftskundenpost durcheinanderwirbeln könnte. „Das E-Postbriefverfahren ist nur ein Anwendungsfall der PKS-Prüfung“, hieß es von der Netzagentur.

Zum ersten Mal kann sie sich dabei auf das 2020 reformierte Postgesetz stützen, das es ermöglichen soll, schärfer gegen Wettbewerbsbehinderungen durchzugreifen. „Wir unterstützten alle behördlichen Anstrengungen, das Verbot einer wettbewerbsfeindlichen Preis-Kosten- Schere durchzusetzen, mit der die Post nach unserer Einschätzung seit Jahren alternative Anbieter behindert“, sagt Walther Otremba, der Vorsitzende des Bundesverbandes Briefdienste.

Wegen ihrer Preisgestaltung ist die Post schon öfter mit der Netzagentur und dem Kartellamt aneinandergeraten, in der Regel, weil sich Konkurrenten über versteckte Rabatte und Dumpingpraktiken beschwert hatten. Die jetzt neu eingeführte Kontrolle von Preis-Kosten- Scheren geht einen Schritt weiter: Sie soll sicherstellen, dass effizient arbeitende Wettbewerber angemessene Gewinne erwirtschaften können.

In der Telekommunikation ist das Instrument seit Jahren im Einsatz. Ziel ist es, einen ausreichenden Abstand zwischen Vorleistungs- und Endkundenpreisen zu gewährleisten, wenn Konkurrenten Leitungen der Deutschen Telekom anmieten. Bei der Post ist die Konstellation ähnlich. Nur der frühere Staatskonzern verfügt über ein flächendeckendes Zustellnetz, das alle deutschen Haushalte erreicht. Deshalb hat das Kartellamt die Post schon vor Jahren dazu verpflichtet, auch Briefe von Konkurrenten mitzunehmen. Deren Leistung besteht darin, dass sie Sendungen von Unternehmen, Behörden, Banken und anderen Großversendern einsammeln, nach Postleitzahlen sortieren und in ein Briefzentrum der Post einliefern.

Laut Monopolkommission befördert die Post rund 40 Prozent der Briefsendungen ihrer Wettbewerber. Für die vorbereitenden Arbeiten (Teilleistungen) gewährt sie ihnen Rabatte, je nach Menge bis zu 50 Prozent des üblichen Portos. Die Konstruktion hat einen Pferdefuß: Den gleichen Service, im Branchenjargon Konsolidierung genannt, bietet auch eine Konzerngesellschaft der Deutschen Post an, die Deutsche Post InHaus Services GmbH (DP IHS).

Damit macht sie fremden Unternehmen, die Briefe sammeln und bündeln, um höhere Mengenrabatte zu erzielen, ganz unmittelbar Konkurrenz. Es geht um einen Milliardenmarkt. Der Umsatz mit Teilleistungssendungen belief sich laut Netzagentur 2019 auf 4,25 Milliarden Euro. Von den 9,3 Milliarden bei der Post eingelieferten Sendungen stammten nur 1,1 Milliarden von Wettbewerbern. Der Rest kam entweder von Konzerngesellschaften der Post oder, zum kleineren Teil, direkt von Großversendern.

Zum Testfall wird nun die Rolle der DP IHS bei der E-Post: Dabei werden die Briefe elektronisch in ein Druckzentrum die Briefe elektronisch in ein Druckzentrum übermittelt. Dort werden sie ausgedruckt, gefalzt, kuvertiert und anschließend mit den üblichen Teilleistungsrabatten in ein Briefzentrum befördert. Diese Aufgaben erledigt die DP IHS, die dafür von der Deutsche Post E-Post Solutions GmbH eine Vergütung bekommt.

Für einen Standardbrief, der diesen Weg geht, darf die Post für die physische Zustellung 46 Cent berechnen. Die Preisgenehmigung hat die Netzagentur wegen der möglichen Wettbewerbsbehinderung nur unter Vorbehalt erteilt.

Einschreiten konnte sie noch nicht, weil der Wettbewerbsverstoß „nicht offenkundig“ sei. Die Post wies die Vorwürfe zurück. „Die genehmigten Entgelte . . . führen nicht zu einer Preis-Kosten- Schere“, sagte ein Sprecher. Sollten Wettbewerber keine angemessene Gewinnmarge erzielen können, sei dieses auf eine geringere Effizienz dieser Unternehmen zurückzuführen.

Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die von der DP IHS berechnete Vergütung einem Wettbewerber eine auskömmliche Marge ermöglichen würde. Die Prüfung ist anspruchsvoll, weil die Netzagentur dafür Einblick in die Geschäftsvereinbarungen benötigt. An wichtige Verträge, vor allem aus Ausschreibungen, komme die Behörde aber nicht ohne Weiteres heran, weil es keine Vorlagepflicht gebe, sagte ein Sprecher.

Mit ersten Ergebnissen sei im besten Falle im Laufe des ersten Halbjahres zu rechnen. Gleichzeitig pocht die Netzagentur schon auf die nächste Reform: Es zeige sich, „dass der Markt weiterhin intransparent ist und eine Modernisierung des Postgesetzes erforderlich ist“.

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Printausgabe, 13.01.2022 (Seite 22)

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